Kunst & Kultur

Alles, was baumelt: Ein Besuch auf der „Christmasworld“

Da hat man den ganzen Klimbim gerade verstaut und soll sich schon wieder mit Weihnachtsdeko auseinandersetzen? Allen, die jedes Jahr im Januar nach Frankfurt reisen, um dort die Messe „Christmasworld“ zu besuchen, gebührt vollster Respekt. Unsere Redakteurin Angela Wolf hat die Trends für Weihnachten 2024.

Neuer Trend: An Weihnachten 2024 werden die Bäume an der Decke baumeln. | Foto: Angela Wolf
Neuer Trend: An Weihnachten 2024 werden die Bäume an der Decke baumeln. | Foto: Angela Wolf

Als ich die erste Halle betrete, zieht mich Opulentes in den Bann: Flora aus Plastik in allen Weihnachts-Variationen, wobei mir eine künstliche Palme, pink und überdimensional groß, besonders ins Auge fällt. Sie erinnert mich an Bethlehem und lässt so was wie Weihnachtsstimmung tief in meinem Innersten aufkommen. Zum Glück, denke ich, verzichtet man hier auf der Messe auf Weihnachtsmusik. Im Gegenteil: Es herrscht geschäftiges, internationales Treiben. Hier wird Business mit dem Fest aller Feste gemacht.

Weihnachten ist die Zeit von "Alles kann, nix muss". Es gibt die Traditionalisten, gewohnt in rot und grün und, natürlich, mit dem obligatorischen Strohstern. Es gibt aber auch die, die es richtig krachen lassen am Weihnachtsbaum. Schlechten Geschmack gibt es nicht. An den Baum darf alles, was baumelt: Weihnachtskugeln in Form von Pumps, dem Weißen Hai, der Nationalflagge oder eines Triceratops – um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Hauptsache schrill und skurril.

Besonders aufgefallen ist mir ein Baumexemplar, aus dem wackelnde Beine herauslugten. Interessant auch ein Baum, der einem Disney-Film gewidmet war. Ein weiterer Trend und meine ganz persönliche Offenbarung: der hängende Baum. Denn egal ob an der Spitze befestigt oder kopfüber: In den besonders trendigen Wohnzimmern 2024 werden die Weihnachtsbäume von der Decke herabhängen. Richtig praktisch und ein echter Hingucker. Außerdem lassen sich die Weihnachtsgeschenke in unerwartete Höhen stapeln, was im Umkehrschluss bedeutet: Es gibt mehr!

Trendverdächtig sind auch, und das ist hart für alle Romantiker:innen, die LED-Kerzen. Egal ob Stumpe oder Spitzkerze, gefeuert wird zunehmend mit Strom über den USB-Anschluss. Aber es ist richtig, mit der Zeit zu gehen. Auch die Lichterkette hat schließlich irgendwann die echte Kerze auf dem Tannenbaum abgelöst; nur noch ganz hart Gesottene zünden an Heilig Abend noch mühsehlig jede einzelne Kerze mit dem Streichholz an. Jetzt aber alle Kerzen auf LED umstellen? Nicht nur die am Baum? Das ist radikal. Die Vertreiber argumentieren, klar, mit Sicherheitsgründen und mit Gesundheitsrisiken. Ob ich noch nichts von den gesundheitsschädlichen Stoffen gehört hätte, die beim Verbrennen von Kerzen entstehen: Feinstaub und Stickoxide. Auch das noch. Kurz denke ich: Das war’s also mit warmem Kerzenlicht und der schönen Stimmung. Andererseits dachten das vor vielen Jahren sicher auch die Verfechter des Lamettas, das wegen seines Bleigehaltes aus gesundheitlichen Gründen vom Baum genommen wurde.

Beruhigend ist aber: Weihnachten geht weiter. Ob schlicht oder opulent, elektrisch oder analog, mit echtem oder Plastikbaum. An Weihnachten sind wir, was die Deko angeht, tolerant und weltoffen. Alles ist erlaubt, dem Dekowahn sind keine Grenzen gesetzt. Wir schätzen die Tradition und sind gleichzeitig offen für Andersdenkende. Wir spielen mit Deko-Tabus und vereinen uns am Ende unter gesundheitsförderndem Konsens. Weihnachten ist und bleibt das Fest der Gemeinschaft. Alle Jahre wieder.


Autorin

Angela Wolf 117 Artikel

Angela Wolf ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. Sie wurde 1978 in Aschaffenburg geboren. Heute lebt sie in Frankfurt am Main, wo sie Soziologie, Politikwissenschaften und Psychoanalyse studierte.

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