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Weiterbildung für alle: das hr-Funkkolleg „Religion Macht Politik“

Ist Religion Privatsache? Wie gehen Demokratie und Religion zusammen? Darf Religion – wie etwa im bayrischen Kreuzerlass – politisches Handeln bestimmen? Das Funkkolleg „Religion Macht Politik“ behandelt in 24 halbstündigen Sendungen grundlegende Positionen und aktuelle Debatten. Silke Kirch hat sich die erste davon angehört.

Foto: Frank Schubert
Foto: Frank Schubert

Für immer weniger Menschen spielt Religion eine tragende Rolle in ihrem Alltag. Zugleich erstarkt vielerorts religiöser Fundamentalismus. Was bedeutet, kann, darf Religion? In Zusammenarbeit mit der Volkshochschule, der Frankfurter Goethe-Universität und dem Hessischen Kulturministerium wendet sich das Funkkolleg an alle Interessierten und bietet zudem ein vielseitiges Angebot für Schulklassen, Lehrerinnen und Lehrer. Wissenschaftlich begleitet wird das Weiterbildungsangebot vom Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung HSFK in Frankfurt.

Die erste Sendung beginnt mit der Dokumentation einer Fußballübertragung. Sie ist der „Aura des Heiligen“ gewidmet. Wo und wann spielt das Heilige für den Einzelnen eine Rolle? Der Blick wird nicht auf religiöses Erleben gerichtet, sondern auf die Alltagserfahrung. Denn gerade in den profanen Handlungen könne sich etwas Heiliges zeigen, das uns über uns hinaushebt, das Gewohnte übersteigt und uns spirituell berührt. Kurze Interviewsequenzen geben in diesem Zusammenhang einen Einblick in das Werk des Religionssoziologen Hans Joas, der das Heilige als eine in den profanen Lebensbezügen schlummernde emotionale Qualität beschreibt, die unabhängig von religiöser Bindung grundsätzlich jedem zugänglich sei – wie etwa auch auf dem Fußballplatz. Mehrfach kommt in diesem Zusammenhang auch der Friedenspreisträger Navid Kermani zu Wort. Religion ist für ihn ein primär sinnliches Ereignis, Theologie spiele erst an zweiter Stelle eine Rolle. Gerade der Verlust an gelebten religiösen Traditionen führe jedoch derzeit zu einem Erstarken des religiösen Fundamentalismus: Wenn Religion im Alltag nicht mehr in konkrete soziale Bezüge eingebunden sei, verliere sie an emotionaler Bedeutung für den Einzelnen, die – religionsübergreifend – erfahrbare sinnliche Qualität des Heiligen gehe verloren. Diese Leerstelle im Lebenszusammenhang fülle der Fundamentalismus auf gefährliche Weise. Fundamentalismus entstehe folglich nicht durch ein Zuviel an Religion, sondern zeige sich dort, wo Tradition zum Abbruch gekommen ist.

Positionen wie diese werfen ein Schlaglicht auf das Verhältnis von Macht und Ohnmacht, wie es in den Religionen selbst ausgelotet wird. Religion wird im Zuge dessen immer wieder auch zur Legitimation von politischer Macht gebraucht. Ebenso wie das Heilige in den alltäglichen Lebensbezügen jenseits von religiöser Zugehörigkeit existiere, bestehe auch in säkularen Gesellschaften wie der unseren eine Macht des Heiligen – etwa in der Übertragung auf politische Führungspersönlichkeiten oder – so Hans Joas – in der fraglosen Bewertung der Vernunft als unhintergehbarer Autorität.

Das Funkkolleg hinterfragt Begriffe, macht Positionen transparent und stellt neue Zusammenhänge her. Es bringt Diskurse in Austausch, um Raum zu bilden für Fragen, die den Einzelnen für sich und alle miteinander weiterbringen können. Komplexe Zusammenhänge werden zugänglich und bieten Denkanstöße.

Das Funkkolleg des Hessischen Rundfunkts wird zwischen November 2018 und Frühjahr 2019 ausgestrahlt. Die Sendebeiträge sind jeweils Samstag und Sonntag zu verschiedenen Sendezeiten sowie als Podcast auf hr-info zu hören. Ein Begleitprogramm ermöglicht den Erwerb eines Zertifikats.

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Autorin

Silke Kirch 55 Artikel

Dr. Silke Kirch studierte Germanistik, Kunstpädagogik und Psychologie in Frankfurt am Main und ist freie Autorin und Redakteurin.

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