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Stadtsynode: Mit Anlauf in die Zukunft und Stefanie Brauer-Noss neue Prodekanin

Die Wahl einer Prodekanin für den Bereich Nord-West und die Herausforderungen an die neuen Nachbarschaftsräume standen im Mittelpunkt der gestrigen Tagung der Evangelischen Stadtsynode Frankfurt und Offenbach.

Stefanie Brauer-Noss nahm nach ihrer Wahl zur Prodekanin die Glückwünsche von Stadtdekan Holger Kamlah und Prodekanin Amina Bruch-Cincar entgegen. |
Stefanie Brauer-Noss nahm nach ihrer Wahl zur Prodekanin die Glückwünsche von Stadtdekan Holger Kamlah und Prodekanin Amina Bruch-Cincar entgegen. | Bild: Rolf Oeser

Mit deutlicher Mehrheit hat die Evangelische Stadtsynode Frankfurt und Offenbach die Bornheimer Pfarrerin Stefanie Brauer-Noss zur Prodekanin für den Dekanatsbereich Nord-West gewählt. 70 Delegierte votierten für die 42 Jahre alte Pfarrerin der Gemeinde Frankfurt-Bornheim, die erst kürzlich in den Vorstand des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt und Offenbach gewählt wurde und als Expertin für Reformprozesse in der Kirche gilt. 30 Stimmen entfielen auf den einzigen Gegenkandidaten, Pfarrer Benjamin Schiwietz, aus dem Dekanat Westerwald, dazu gab es neun Enthaltungen.

Schon die Dissertation von Stefanie Brauer-Noss aus dem Jahr 2017 trug den Titel „Unter Druck. Kirchenreform aus der Leitungsperspektive“. Nach dem Abitur hatte Stefanie Brauer-Noss in Bochum, Berlin und Münster Evangelische Theologie und Physik studiert. Die vor sieben Jahren aus dem Ruhrgebiet nach Frankfurt gezogene Gemeindepfarrerin fühle sich inzwischen hier zu Hause, betonte sie in ihrer Rede vor der Synode. „Wenn man unterwegs ist, ist es großartig, Navigationssysteme dabei zu haben. Da drückt man einfach auf das Feld ‚Nach Hause und schon wird der Weg angezeigt.“ Stefanie Brauer-Noss glaubt: „Für den Prozess EKHN2030 wünschten sich sicherlich viele auch einfach mal in der Navigation auf dieses Feld zu tippen: Nach Hause. Aber so einfach geht es nicht. Der Prozess EKHN2030 verlangt, dass wir Kirche weiterdenken müssen.“ Ihr persönliches Bild von Kirche beschreibt sie so: „Eine Kirche mit fluiden Strukturen, wo Menschen sich andocken können, wo, wie und solange sie möchten. Eine Kirche, die den Raum öffnet und selbst im Raum der Stadt wirkt - als öffentliche und nicht nur Mitglieder-orientierte Kirche mit ihren verschiedenen Profilen.“ Ihr Bild von Kirche sei zudem „eine inklusive Kirche, die neugierig ist, was aus ihr durch das Mitwirken vieler Menschen entsteht, eine Kirche die eintritt gegen Hass und Gewalt und Antisemitismus und für den Glauben und die Rechte aller Menschen einsteht.“ Auch wenn der Weg noch nicht im Detail klar sei, auch wenn es dieses Navi mit der Funktion „nach Hause“ nicht so einfach gebe, glaube sie fest daran: „Wir kommen an.“ Stefanie Brauer-Noss folgt auf dieser Stelle auf Holger Kamlah, der im April zum Stadtdekan gewählt worden war.

Zuvor hatte Stadtdekan Holger Kamlah vehement dazu aufgerufen, sich gegen den wachsenden Antisemitismus zu stellen. „Der 7. Oktober war ein historischer Einschnitt, der nicht nur in Israel und Gaza dramatische Konsequenzen für die dort lebenden Menschen hat. Die Folgen des Attentates betreffen uns in anderer Weise, aber auch ganz unmittelbar hier in Frankfurt und Offenbach“, sagte Kamlah vor den Delegierten.

In den jüdischen Gemeinden in beiden Städten gebe es niemanden, der nicht in gewisser Weise selbst betroffen sei, weil alle Familie und Freunde in Israel hätten: „Sie beklagen Opfer oder Entführte in den eigenen Familien oder kennen Menschen, die dies tun, sie haben Angst um Angehörige, die Raketenangriffen ausgesetzt sind. Dazu kommt die fundamentale Verunsicherung, die durch die Zunahme antisemitischer Vorfälle verursacht ist. Jüdinnen und Juden haben Angst zu zeigen, dass sie Jüdinnen und Juden sind.“ Der Stadtdekan rief die Teilnehmer:innen der Synode dazu auf, sich öffentlich und privat „an die Seite unserer jüdischen Geschwister“ zu stellen.

„Heute wird gesprungen!“ Mit diesen Worten begann Prodekanin Amina Bruch-Cincar ihre Rede, deren Thema die Herausforderungen und die Chancen der neuen Nachbarschaftsräume war. Sie lobte darin den von ihrem Vorgänger Achim Knecht auf den Weg gebrachten „Fahrplan des Prozesses, der den unüberschaubaren Berg an Arbeit in übersichtliche kleinere Einheiten fasste.“ Wer sie in ihrem Büro besuche, könne einen neun Seiten langen Plan an der Wand hängen sehen, der ihr helfe, den Überblick zu behalten. „Manchen ist Zusammenarbeit noch sehr fremd, da heißt es: Wir lernen einander gerade erst kennen. Andere sind bereits seit Längerem vertrauensvoll und routiniert miteinander unterwegs“, ist ihre Beobachtung. Sie dankte den Anwesenden „für die nervenzehrenden Debatten und die Vermittlungsarbeit“ in den Gemeinden.
Auf Ebene der Nachbarschaftsräume seien die Strukturen geschaffen worden, dass es im kommenden Jahr richtig losgehen könne. Sie sehe jedoch auch, dass Umdenken Zeit brauche: „Die neuen Strukturen von Nachbarschaftsraum und Verkündigungsteam erfordern auch auf Dekanatsebene ein Umdenken. Zum Beispiel muss sich ein Kandidat für eine Pfarrstelle jetzt nicht nur bei den Kollegen in der Gemeinde vorstellen, sondern gleich beim ganzen Verkündigungsteam. Oder Pfarrstellen sind bald nicht mehr an der Gemeinde errichtet, sondern für den gesamten Nachbarschaftsraum.“

Ebenfalls auf der Tagesordnung stand das Thema „Faire Gemeinde“. Renate Sieb von der Paul-Gerhardt-Gemeinde in Niederrad berichtete über die Initiative, bei der inzwischen sieben Gemeinden des Dekanats mitmachen. „Leider ist es uns nicht gelungen, wie geplant die Zahl von fünf auf zehn anzuheben“, bedauerte Sieb. Die Initiative „Faire Gemeinde“ will, dass Engagement für nachhaltiges Handeln sichtbar gemacht wird. Als erkennbares Zeichen für das faire Verhalten gegenüber Menschen und Natur werden die Gemeinden mit einer Plakette ausgezeichnet. Diese kann an der Kirche oder dem Gemeindehaus angebracht werden und ist zwei Jahre lang gültig. Auf dem Gebiet der EKHN tragen 56 Gemeinden die Plakette, in Frankfurt und Offenbach sind es die Seckbacher Mariengemeinde, die Paul-Gerhardt-Gemeinde in Niederrad, die Lydiagemeinde, die Französisch-Reformierte Gemeinde, die Gethsemane-Gemeinde, die Luthergemeinde sowie die Offenbacher Gustav-Adolf-Gemeinde.

Die Regionalversammlung/Stadtsynode ist quasi das Parlament der Evangelischen Kirche in Frankfurt und Offenbach. Jede Kirchengemeinde entsendet Delegierte in das oberste Entscheidungsgremium. Das Kirchenparlament entscheidet über alle wichtigen und grundsätzlichen Angelegenheiten der Evangelischen Kirche in Frankfurt und Offenbach. Es wählt zum Beispiel den Vorstand und beschließt den Haushalt, in dem festgelegt wird, wofür die Evangelische Kirche in Frankfurt und Offenbach ihr Geld ausgibt.


Autorin

Anne Lemhöfer 139 Artikel

Anne Lemhöfer interessiert sich als Journalistin und Autorin vor allem für die Themen Kultur, Freizeit und Gesellschaft: www.annelemhoefer.de