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Mittellos zum Flughafen

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Die Abschiebungsbeobachter:innen am Frankfurter Flughafen dokumentieren in ihrem Tätigkeitsbericht Versäumnisse. Positiv werten sie die Kooperation mit der Bundespolizei.

Diakonie und Caritas beobachten zusammen. I  Foto: Carolin Jendricke
Diakonie und Caritas beobachten zusammen. I Foto: Carolin Jendricke

Etwa 3.900 Menschen wurden 2022 vom Frankfurter Flughafen per Flugzeug abgeschoben. Meist verliefen die Rückführungen ohne besondere Vorkommnisse. Trotz eines sensiblen Vorgehens vieler Beamter kommt es zu Problemen. Das geht aus dem Tätigkeitsbericht hervor, den die Abschiebebeobachtung am Frankfurter Flughafen jetzt veröffentlicht hat. Sie wird ökumenisch getragen von der Diakonie Frankfurt und Offenbach und dem Caritasverband für die Diözese Limburg e.V.

Benannt werden in dem Bericht unter anderem Fälle unzureichender Aufklärung und Information von Betroffenen infolge von mangelnder Verständigung, unklare Zuständigkeiten oder fehlende Regelungen für besonders zu schützende Gruppen wie zum Beispiel Familien mit Kleinkindern, Schwangeren oder kranken Menschen. Weil viele Probleme schon auf dem Weg zum Flughafen entstehen, sprechen sich die Abschiebungsbeobachter:innen dafür aus, den gesamten Rückführungsprozess gezielter in den Blick zu nehmen: „Der Vollzug einer Rückführung beginnt mit der Abholung und endet mit der Übergabe im Zielland. Daher sollten auch alle Abschnitte des Verfahrens beobachtet werden.“

Keine Zeit, um noch Geld vom eigenen Konto abzuheben
In ihrem Bericht weisen die Abschiebungsbeobachter: innen darauf hin, dass Geflüchtete vereinzelt auch nachts aus ihren Unterkünften von der Polizei abgeholt wurden. Häufig waren die Betroffenen nicht ausreichend über die Abläufe informiert und machten „einen irritierten oder verängstigten Eindruck“, heißt es im Bericht. Mehrfach beobachtet wurden Betroffene, die im Winter mit viel zu dünner Kleidung abgeholt wurden. Die Bitte von Asylsuchenden, vor dem Abflug noch Geld vom eigenen Konto abzuheben, wurde teilweise nicht erfüllt. Einige mussten zudem Gepäck zurücklassen. „Viele kommen mittellos zum Flughafen und wissen meist gar nicht, was nun mit ihnen passiert“, sagt Melisa Ergül-Puopolo, Abschiebungsbeobachterin der Diakonie Frankfurt und Offenbach.

Finanziert mit kirchlichen Geldern und Landesmitteln
Um Geflüchtete während der Abschiebung zu begleiten, gründeten die Diakonie Frankfurt und Offenbach und der Caritasverband für die Diözese Limburg e.V. 2006 die Abschiebungsbeobachtung am Frankfurter Flughafen. Ihr Ziel: Transparenz in ein Verfahren zu bringen, das sonst unter Ausschluss der Öffentlichkeit ablaufen würde. Die Abschiebungsbeobachtung dokumentiert Verstöße gegen die Verhältnismäßigkeit der eingesetzten Mittel und die Verletzung humanitärer Ansprüche. Finanziert wird die Arbeit mit kirchlichen Geldern und seit 2018 auch mit Landesmitteln.

Kraft und etwas Halt in schweren Stunden
„Die kirchliche Abschiebungsbeobachtung ist besonders wichtig, denn es macht einen großen Unterschied, ob Rückführungen durch unabhängige Expert:innen beobachtet werden. Gerade angesichts der geplanten Verschärfungen im sogenannten ‚Rückführungsverbesserungsgesetz‘ kann es zu erheblichen Verschlechterungen für die Betroffenen kommen“, befürchten Diakoniepfarrer Markus Eisele und Karl Weber, Vorstand im Caritasverband für die Diözese Limburg. Zwar können die Abschiebungsbeobachter:innen nicht aktiv eingreifen. Aber sie geben den Menschen in schweren Stunden Kraft und etwas Halt, indem sie ihnen den Sachverhalt in deren Muttersprache erklären, ein kleines Handgeld für die Weiterreise nach der Ankunft mitgeben oder auf Hilfseinrichtungen im Ausland hinweisen.

Kranke und alleinreisende Frauen mit Kindern werden möglichst begleitet

Aus ganz Deutschland werden Rückzuführende zum Frankfurter Flughafen gebracht, die Abschiebungsbeobachter:innen sind auch nachts im Einsatz. Wenn eine größere Zahl Geflüchteter gleichzeitig rückgeführt werden, sogenannte „Charter-Maßnahmen“, sind sie in der Regel immer dabei. Darüber hinaus begleiten sie Abschiebungen insbesondere dann, wenn alleinreisende Frauen mit Kindern, Menschen, die ärztliche Begleitung brauchen und weitere besonders verletzliche Personen betroffen sind.

Kinder erleben extreme Belastungen
Der Tätigkeitsbericht kritisiert, dass in einzelnen Fällen Familien bei der Abschiebung gezielt getrennt werden. Dies ist besonders für die Kinder extrem belastend. Sie leiden nicht nur unter Familientrennungen, sondern wurden auch wiederholt zum Dolmetschen aufgefordert, beispielsweise, um ihren Eltern anzukündigen, dass diese gefesselt werden, falls sie Widerstand leisten. Dies stelle eine „extreme nicht zumutbare Belastung“ und einen Verstoß gegen das Grundgesetz und die UN-Kinderrechtskonvention dar. Unklar sei zudem oftmals, wo die Familien nach der Ankunft im Zielland eigentlich unterkommen. „Ein Großteil der Geflüchteten leidet unter psychischen Erkrankungen, sie haben Krieg, Verfolgung, Zwangsrekrutierungen und anderes Schlimmes erlebt, das sie traumatisiert hat“, sagt Melisa Ergül-Puopolo.

Krieg, Verfolgung, Zwangsrekrutierung
Finn Dohrmann, Referent für Abschiebungsbeobachtung beim Caritasverband für die Diözese Limburg, beschreibt die Zusammenarbeit mit der Bundespolizei als „vertrauensvoll“: „Wir werden von der Bundespolizei respektiert.“ In monatlichen Treffen können problematische Sachverhalte mit der Bundespolizei nachbearbeitet werden. Zudem werden kritische Fälle im Nachhinein im Forum Abschiebungsbeobachtung am Flughafen Frankfurt am Main besprochen. Dort tauschen sich Vertreter:innen der Bundespolizei und aus Landesministerien, Vertreter:innen der Kirchen, von Pro Asyl, Amnesty International und weitere Fachleute regelmäßig aus.

Eine sehr wertvolle Arbeit
Fazit des Berichts: Es ist wünschenswert, die Position der Abschiebungsbeobachtung zu stärken. Auf die Frage, was sie persönlich motiviert, antwortet Melisa Ergül-Puopolo: „Ich möchte den Rückzuführenden beistehen. Auch wenn es Momente gibt, die frustrierend sind, so ist es doch eine sehr wertvolle und sinnvolle Tätigkeit.“


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