Politik & Welt

Leutheusser-Schnarrenberger: Zu den eigenen Werten stehen, aber sie auch erklären

Lob für Christian Lindner: Mit seinem Rückzug von den Jamaika-Sondierungen habe ihr Parteikollege „Haltung bewiesen“, sagte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Die FDP-Politikerin war zu Gast in der Evangelischen Akademie am Römerberg.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bei ihrer Buchvorstellung in der Evangelischen Akademie Frankfurt. Foto: Rolf Oeser
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bei ihrer Buchvorstellung in der Evangelischen Akademie Frankfurt. Foto: Rolf Oeser

Wenn man auch den Zeitpunkt seines Rücktritts diskutieren könne, so habe Lindner doch richtig gehandelt, weil am Ende von Jamaika von wichtigen politischen Inhalten der FDP kaum noch etwas sichtbar gewesen sei, so Leutheusser-Schnarrenbergers Einschätzung.

Auch aus ihrer eigenen politischen Karriere hat sie ein Beispiel: Als die FDP 1995 in einer Mitgliederbefragung die geplante akustische Wohnraumüberwachung, genannt „großer Lauschangriff“, befürwortete, trat sie als Justizministerin zurück. Sie fand das verfassungswidrig – knapp zehn Jahre später gab das Bundesverfassungsgericht ihr Recht.

Auf dem Podium der Akademie kam Matthias Pees, Intendant des Mousonturms, mit der Politikerin über ihr Buch „Haltung ist Stärke“ ins Gespräch. „Das Verhalten eines Politikers muss in der inhaltlichen Ausrichtung berechenbar sein“, sagte Leutheusser-Schnarrenberger. „Er oder sie müssen Werte vermitteln und dann auch dazu stehen.“

Trotz Sicherheitsbedürfnis am Ende die Freiheit wählen

Ging es bei der Diskussion um den Lauschangriff noch um organisierte Kriminalität, so hat sich die Sicherheitsdebatte heute noch verschärft: Sowohl durch den islamistischen Terror als auch durch die fortschreitende Digitalisierung. Auch wegen des steigenden Altersdurchschnitts nehme das Sicherheitsbedürfnis in der Gesellschaft dramatisch zu: 80 Prozent der Deutschen hätten heute nichts dagegen, wenn aus Sicherheitsgründen rechtsstaatlich zweifelhafte Maßnahmen ergriffen werden würden, berichtete Leutheusser-Schnarrenberger.

Dem stellte sie entgegen, dass es vollständige Sicherheit nie gebe, selbst wenn man Freiheitsrechte weitgehend einschränken würde. Die habe die Verfassung aber 1949 weitgehend abgesichert. Man müsse im Einzelfall sehr gründlich abwägen und im Zweifel für die Freiheit entscheiden.

Die Politik darf Ängste nicht populistisch ausnutzen

Gründliche Online Durchsuchungen, die bis weit in die Vergangenheit reichen, sollten ihrer Ansicht nach nur bei terroristischer Gefahr durchgeführt werden. Ansonsten dürfe niemand vom Staat ausgeforscht werden. Im Löschbeirat von Google hat sich Leutheuser-Schnarrenberger für das „Recht auf Vergessenwerden“ eingesetzt, also dafür, dass Privatpersonen darauf drängen können, dass Beiträge, mit denen sie nicht mehr übereinstimmen, gelöscht werden.

Die Politik dürfe Ängste in der Bevölkerung, die oft aus der Unüberschaubarkeit in der globalisierten Welt herrührten, nicht populistisch instrumentalisieren, warnte sie. Stattdessen müsste sie sich Diskussionen stellen und Zusammenhänge erklären. Auch mit denen, die AfD wählen, müsse man sich auseinandersetzen, auch im Fernsehen.

Als Positiv-Beispiel für „Haltung“ nannte sie die Initiative „Pulse of Europe“, die aus der Zivilgesellschaft entstanden sei und sich rechtsnationalen Tendenzen entgegen stelle. „Durch die AFD ist die Demokratie nicht existenziell gefährdet“, sagte sie, „aber man muss sich die Gefährlichkeit ihrer Ideologie bewusst machen.“ Von alleine verschwänden die Rechtsextremen jedenfalls nicht.


Autorin

Stephanie von Selchow ist Redakteurin des EFO-Magazins.