Kunst & Kultur

Annegret Soltau: Im Mittelpunkt der menschliche Körper

Die Darmstädter Künstlerin Annegret Soltau beschäftigt sich in ihren Collagen vor allem mit dem menschlichen Körper. Antje Schrupp sprach mit ihr über Leiblichkeit und die Frage, warum explizite Körperdarstellungen noch immer leicht zum Skandal werden.

„Generativ“: In dieser Collage mischte die Künstlerin Annegret Soltau die Körper von vier Generationen ihrer Familie: den eigenen, den ihrer Tochter, ihrer Mutter und ihrer Großmutter. Foto mit frdl. Genehmigung der Künstlerin.
„Generativ“: In dieser Collage mischte die Künstlerin Annegret Soltau die Körper von vier Generationen ihrer Familie: den eigenen, den ihrer Tochter, ihrer Mutter und ihrer Großmutter. Foto mit frdl. Genehmigung der Künstlerin.

Frau Soltau, in Ihren Arbeiten steht der menschliche Körper im Mittelpunkt, welche Idee steckt dahinter?

Das war eine längere Entwicklung. Angefangen hat es mit meiner Schwangerschaft, also einem Prozess des Körperlichen, der gleichzeitig ein innerer Prozess ist.

Sie zeigen vor allem ihren eigenen Körper oder den ihrer Familienmitglieder, warum?

Ich nehme nicht irgendeine Person, ich will diesen Prozess selber erleben. Ich meine aber schon den Menschen an sich, ich nehme mich selbst nur als Material, weil ich mit mir selbst am besten arbeiten kann. Später kamen dann meine Familienmitglieder hinzu. Zuerst habe ich mit der weiblichen Kette der Familie gearbeitet, also meiner Mutter, meiner Großmutter und meiner Tochter, später dann auch mit meinem Mann und meinem Sohn. Ich habe einzelne Körperteile gegeneinander ausgetauscht, sodass Jung und Alt, Männlich und Weiblich miteinander vermischt wurden.

Möchten Sie damit auch ausdrücken, dass sich diese Kategorien nicht ganz klar voneinander abgrenzen lassen?

Ja, vor allem beim Mann-Frau-Thema ist das jetzt ja sehr aktuell. Manche Menschen lassen sich operieren, man wird vielleicht als Mann geboren oder als Frau und hat den Wunsch, das andere Geschlecht sein zu können. Gerade wenn man älter wird, heißt es ja, dass sich die Grenzen auch im Körper verschieben, dass Frauen mehr männliche Hormone ausbilden und Männer mehr weibliche. Körper verändern sich ganz von selbst.

Steckt hinter diesem Interesse am Körperlichen auch eine bestimmte Sicht auf die Welt?

Ich beschäftige mich mit Leibphilosophie, die an der TU Darmstadt von der Philosophin Ute Gahlings vertreten wird, oder auch von Gernot Böhme, der inzwischen emeritiert ist. In der Leibphilosophie wird zwischen Körper und Leib unterschieden, wobei der Körper das ist, was gesellschaftlich von außen her gesehen wird, was beurteilt und begutachtet wird, während der Leib das meint, was man selbst wirklich ist. Beim Sprechen sage ich zwar immer „Körper“, weil das Wort „Leib“ für meine Bilder irgendwie nicht passt. Aber ich meine eigentlich den Leib. Ist das nicht auch ein Wort, das in der Religion verwendet wird, „Leib Christi“ zum Beispiel?

Ja, das Wort „Leib“ meint den beseelten, lebendigen Menschen, während „Körper“ eher das rein Materielle ist. „Corpus Christi“ ist der Verstorbene am Kreuz. Arbeiten Sie auch aktuell noch an dem Thema?

Ja, bei einer Collage-Ausstellung in der Kunsthalle Darmstadt von 3. Oktober bis 8. Januar zeige ich kleine Miniaturen zum Thema „KörperÖffnungen“. Das ist ein ganz besonders intimes Thema, daher das kleine Format. Bei meinen Arbeiten gibt es immer eine Vorder- und Rückseite. Bei den großformatigen Körper-Collagen sind auf der Rückseite die Vernähungen zu sehen, die die Körper quasi in einer abstrakten Form noch einmal zeigen. Jetzt bei den „KörperÖffnungen“ sind auf der Rückseite kleine Textfetzen angebracht, die willkürlich aus der Bibel, dem Buch Ruth, und aus dem Koran, der Sure über die Frauen, gerissen sind. Die „KörperÖffnungen“ in meinen Arbeiten betreffen ja nur Frauen, nämlich eine Freundin und mich.

Welche Reaktionen bekommen Sie auf die doch sehr expliziten Darstellungen nackter Körper?

Teilweise sehr heftige, und zwar nicht nur in konservativen Städten wie in Augsburg oder Fulda, sondern auch hier im weltoffenen Frankfurt. 2011 habe ich zum Beispiel den Marielies Hess-Kunstpreis bekommen, und dazu gab es eine Ausstellung mit den ganz großen Arbeiten „Transgenerativ“ und „Generativ“ in der Goldhalle des Hessischen Rundfunks. Weil der Weg zum Sendesaal dort vorbei führte, wurden sie aber zu bestimmten Anlässen mit großen blauen Tüchern überdeckt. Soweit ich mich erinnere, einmal für eine Kantorei, für eine iranische Gruppe und für eine chinesische Gruppe.

Hatten die sich darüber beschwert?

Das weiß ich gar nicht, vielleicht war es auch nur vorauseilender Gehorsam. Jedenfalls musste ich kürzlich, als in Rom Statuen verdeckt wurden, weil ein iranischer Politiker zu Besuch war, wieder daran denken. Von Frankfurt, das sich immer als Weltstadt darstellt, hätte ich das eigentlich nicht erwartet.

Werden Sie manchmal auch persönlich angegriffen?

Es gibt böse Reaktionen, aber die werden normalerweise von meinen Galerien oder Kunstinstitutionen abgefangen. In den Briefen heißt es dann schon mal, das sei „entartete Kunst“ oder etwas dergleichen. Ich erkläre mir das so, dass da etwas auf mich zurückgeworfen wird, während ich doch eigentlich nur die Botin bin, die zeigt, wie die Realität ist.



Schlagwörter

Autorin

Antje Schrupp 227 Artikel

Dr. Antje Schrupp ist Chefredakteurin des EFO-Magazins. Die Journalistin und Politikwissenschaftlerin bloggt auch unter www.antjeschrupp.com Mastodon: @antjeschrupp@kirche.social