Gott & Glauben

Khola Hübsch erklärt, warum sie an Gott glaubt (und wir das auch tun sollten)

Die Frankfurterin Khola Maryam Hübsch hat ein Buch über ihren Glauben geschrieben: „Rebellion der Sehnsucht“ ist ein Manifest gegen eine Gesellschaft, die Gott für nebensächlich oder gar nicht erst existent hält. Sie schreibt zwar aus muslimischer Perspektive, vieles davon lässt sich aber auch als Christin unterschreiben. Gleichzeitig hilft die Lektüre, zu sehen, wo der christliche Zugang zu Gott dann doch ein anderer ist.

Khola Maryam Hübsch und Antje Schrupp beim Interview 2016. | Foto: Ilona Surrey
Khola Maryam Hübsch und Antje Schrupp beim Interview 2016. | Foto: Ilona Surrey

Khola Maryam Hübsch – mit der ich schon einmal ein langes Gespräch über Religion und Feminismus geführt habe – hat ein Buch über ihren Glauben geschrieben. Es ist ein Appell an alle, die von Gott nichts wissen wollen und stattdessen viel Wert auf Konsum, Schönheit, Reichtum, Anerkennung legen.

Man könnte auch sagen: Hübsch liest ihren Leser_innen die Leviten. Sie deckt die Seichtigkeit vieler heutiger Diskurse und Ideale auf und kritisiert die Angewohnheit, mehr auf kurzfristigen Spaß zu setzen als auf langfristige Zufriedenheit, mehr auf egoistische Privilegien als auf Gemeinschaftlichkeit und Solidarität.

Als Ahmadiyya-Muslimin zitiert sie viel aus dem Koran und aus den Schriften von Mirza Ghulam Ahmad, einem pakistanischen Prediger aus dem 19. Jahrhundert, der für die (von der Mehrheit der Muslime nicht anerkannte) Ahmadiyya-Gruppierung ein Messias ist. Aber in den allermeisten Fällen könnte man auch entsprechende Stellen aus der Bibel finden oder aus den Texten der Kirchenlehrer oder auch Martin Luthers: Dass man das eigene Handeln an höheren Maßstäben messen soll als dem gerade vorherrschenden gesellschaftlichen Zeitgeist, dass es nicht um die Erhöhung des eigenen Ichs geht, sondern um den Willen Gottes, dass Spiritualität nicht nur eine Frage von Theorien ist sondern eine von alltäglicher Praxis, dass dazu Nächstenliebe, Demut, Großherzigkeit und Friedensstreben gehören – all das ist ja allen Religionen gemeinsam.

Dabei wechselt Hübsch zwischen allgemeinen theologischen Überlegungen und persönlichen Erfahrungen und Erlebnissen, was aus Frankfurter Perspektive auch deshalb interessant ist, weil sie die Tochter von Hadayatullah Hübsch ist, der ursprünglich Paul-Gerhard Hübsch hieß und Aktivist der 68-er Bewegung war, unter anderem war er Mitbegründer des Club Voltaire. Nach seiner Konversion zum Ahmadiyya-Islam war er dessen Pressesprecher für Deutschland und Imam in der Nuur-Moschee in Sachsenhausen; 2011 ist Hadayatullah Hübsch gestorben.

Khola Hübsch, 1980 geboren, erzählt in ihrem Buch aus ihrer Familiengeschichte, schildert die Hintergründe der Heirat ihrer Eltern – sie hat das Buch ihrer Mutter Sadiqa Sultana, einer Inderin, gewidmet – und davon, wie ihre eigene Spiritualität von ihren Eltern und deren Glauben geprägt wurde. Dabei bekommt man eine Ahnung davon, wie fest Hadayatullah Hübsch davon überzeugt war, dass Gott, wenn man nur feste genug betet, auch in ausweglosen Situationen in letzter Sekunde eine Lösung schickt (und wenn nicht, dann hat das bestimmt einen tieferen Sinn). Eine Überzeugung, die er offenbar nahtlos an die Tochter weitergegeben hat. Man mag das plausibel finden oder nicht, jedenfalls hat Khola Hübsch recht, dass man Gottvertrauen nicht theoretisch erklären kann, sondern selbst erfahren muss.

Khola Maryam Hübsch: Rebellion der Sehnsucht. Warum ich mir den Glauben nicht nehmen lasse. Herder, Freiburg i.Brsg. 2018, 208 Seiten, 18 Euro.
Khola Maryam Hübsch: Rebellion der Sehnsucht. Warum ich mir den Glauben nicht nehmen lasse. Herder, Freiburg i.Brsg. 2018, 208 Seiten, 18 Euro.

Bei der Frage, wie man dahin kommt, zu einer tragenden Glaubensgewissheit also, liest sich das Buch ein bisschen wie eine Gardinenpredigt von Fräulein Rottenmeier. Es sei kein Wunder, wenn viele von uns heutzutage nicht an Gott glauben, denn wir strengen uns ja auch nicht genug an, lesen nicht genug im Koran (vermutlich täte es die Bibel auch), beten nicht oft genug und wenn, dann nicht mit offenem Herzen und ohne Hochmut, und natürlich fasten wir auch zu selten.

Es ist keine Frage, dass all das helfen kann, Gott zu finden. Ähnliche Praktiken in Variationen lehren alle Religionen, und auch der gesunde Menschenverstand sagt ja, dass es religiösen Glauben ohne entsprechende Praxis ebenso wenig geben kann wie einen Lottogewinn ohne Los.

Mir kam beim Lesen aber trotzdem immer wieder die französische katholische Mystikerin Therese de Lisieux in den Sinn, die für sich persönlich zu der Auffassung kam, dass es so nicht geht: dass sie selbst jedenfalls zu schwach und zu schlecht und zu klein ist, um all diese vielen Treppenstufen hinauf klettern zu können, und dass es deshalb irgendwo einen Aufzug geben muss, der direkt zu Gott hin führt, ohne die ganze Anstrengung. Natürlich ist das nicht als Ausrede für Trägheit gedacht. Sondern es geht um unseren Umgang mit Schwäche, auch der eigenen.

Vielleicht ist das Christentum, im Unterschied zum Islam, tatsächlich eine Religion für die Schwachen, und zwar nicht nur in dem Sinn, dass wir den Schwachen helfen und mit ihnen solidarisch sein sollen – das ist im Islam natürlich ganz genauso. Sondern in dem Sinn, dass die Schwachen nicht bloß Objekte der Wohltätigkeit der Starken sind, sondern vielmehr diejenigen, die am ehesten den Weg zu Gott finden können. Weil wir Gott nicht oben suchen müssen, im Himmel, bei den Mächtigen, sondern unten, auf der Schattenseite, bei den Kindern, den Kranken, in den Gefängnissen. Wir können schwach sein, weil wir als Christinnen und Christen daran glauben, darauf vertrauen, dass Gott auch dann zu uns kommt, wenn wir die Treppen hoch zu ihm nicht schaffen. Wir müssen nur wollen.

Aber das mit dem Wollen ist natürlich auch wieder nicht so leicht. Man kann sich beim Lesen von Hübschs Buch gut vorstellen, warum der Islam für viele Menschen attraktiv ist, denn er hat sozusagen eine schön ordentliche, aufgeräumte, logische Theologie, die mühelos mit der Vernunft zu vereinbaren ist, und die Hübsch hier mit eloquenter Sprache und in anschaulichen Metaphern vorstellt.

Aber wie findet man diesen Aufzug, von dem Therese de Lisieux spricht? Manchmal denke ich, dass vielleicht ein Teil des christlich geprägten Anti-Islamismus auch in einem gewissen Neid wurzelt, wie schön klar im Islam alles sortiert ist. Man weiß, was richtig und falsch ist, während wir im Christentum mit so undurchsichtigen, komplexen und scheinbar widersprüchlichen Dingen zurechtkommen müssen wie Dreifaltigkeit, Sühnetod und Auferstehung. Sachen, die kaum jemand verständlich erklären kann, nicht einmal die meisten Pfarrerinnen und Pfarrer.

Vielleicht sind ja all die Debatten über Kopftücher und Terroranschläge ein Ablenkungsmanöver, mit dem wir, die Christinnen und Christen, uns um die eigentlichen Auseinandersetzungen herummogeln. Wie schon Paulus wusste, ist unser Glaube – der Glaube an Jesus Christus, der Gott und Mensch zugleich ist und die Welt erlöst hat – „den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit“. Manche Religionswissenschaftler sagen, dass der Islam überhaupt nur entstanden ist, um denjenigen Monotheist_innen eine religiöse Heimat zu geben, die sich mit dem Bekenntnis zur Göttlichkeit Jesu nicht abfinden konnten. Wie dem auch sei: Hier gibt es noch so manches zu diskutieren.

Weiterlesen:

"Man kann Glauben nicht mit Zwang implementieren" (über die Ahmadiyya-Gemeinde in Frankfurt)

Gespräch zwischen Khola Hübsch und Antje Schrupp über Religion und Feminismus


Autorin

Antje Schrupp 227 Artikel

Dr. Antje Schrupp ist Chefredakteurin des EFO-Magazins. Die Journalistin und Politikwissenschaftlerin bloggt auch unter www.antjeschrupp.com Mastodon: @antjeschrupp@kirche.social

1 Kommentar

23. Oktober 2018 13:15 Bernd Kehren

Wobei es jene Christen zweifellos auch gibt, für die der christliche Glaube ganz genauso aufgeräumt ist. Das Tragische ist, dass die Christen die vielen Gemeinsamkeiten nicht bemerken und stärkste Gegner des Islam sind. Was wir liberaleren Christen noch zunehmend lernen müssen: Die Botschaft vom sich selbst erniedrigenden Gott in allen Teilen des christl. Glaubens anzuwenden und konsequent zu predigen. Da gibt es noch ein paar deutliche Lücken.

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