Gott & Glauben

Ist die Bibel alt und ärgerlich? Warum Kirchenpräsident Volker Jung das anders sieht

„Alte Schriften und moderne Fragen – Warum die Bibel immer noch etwas zu sagen hat“ hieß ein Vortrag von Volker Jung, Präsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, im Frankfurter Bibelmuseum. Das Thema stieß auf großes Publikumsinteresse. Und erntete auch Widerspruch. 

Schreibender Apostel Paulus: Aus einer Handschrift der Paulusbriefe, frühes 9. Jahrhundert. Württembergische Landesbibliothek Stuttgart |
Schreibender Apostel Paulus: Aus einer Handschrift der Paulusbriefe, frühes 9. Jahrhundert. Württembergische Landesbibliothek Stuttgart | Bild: http://www.commons.wikimedia.org

Die Bibel ist alt und … ärgerlich. Dieser Ansicht war zumindest ein Mann aus dem Publikum an diesem Abend im Bibelhaus in Sachsenhausen. Kirchenpräsident Volker Jung hatte als Beispieltext den ersten Brief von Paulus an die Korinther genommen. „Paulus ist doch leib- und frauenfeindlich“, beschwerte sich der Zuhörer. „Warum sollen wir uns überhaupt noch damit auseinandersetzen?“

Volker Jung erklärte, wie man sich solchen alten Texten dennoch annähern kann. In dem Brief etwa warnt Paulus die Mitglieder der neuen christlichen Gemeinde in der Hafenstadt Korinth, wer zu „Huren“ gehe, werde „ein Leib mit ihnen“ und sündige am eigenen Leibe. Diese Vorstellung sei heute nicht einfach so nachzuvollziehen. Wir könnten aber aus dem Text dennoch etwas herauslesen: „Wir sollen unseren Körper weder vernachlässigen noch Körperkult betreiben“, sagte Jung. Das sei auch deshalb wichtig, weil uns nach dem Tod ein neuer Leib versprochen worden sei. Aus diesem Grund sei es auch nicht gleichgültig, wie wir Sexualität leben.

Paulus war ein Kind seiner Zeit, erklärte Jung. Sein Gegenüber sei der freie römische Mann gewesen. Deshalb habe er sich zum Beispiel nicht die Frage gestellt, was Prostitution für Frauen bedeutet; eine Frage, die wir uns aber heute stellen müssen. Genauso könnten wir Homosexualität nicht mehr verdammen, auch wenn sie bei Paulus noch zum Lasterkatalog gehöre.  

„Die Wissenschaft hat es belegt: Homosexualität ist eine Grundprägung des Menschen, die er sich nicht aussuchen kann“, sagte Jung. „Ich trete für die Ehe für alle ein, weil die Bibel uns dazu auffordert, Menschen in ihrem Sosein nicht zu unterdrücken, sondern ihnen zum Leben zu verhelfen.“

Eine historisch-kritische Betrachtungsweise der Bibel erlaube es auch heute noch, Orientierung aus ihr zu gewinnen und zu verstehen, welche Weltsicht von Gott her stimmt, sagte Jung. Daher widerspricht er Kritikern wie dem israelischen Historiker Yuval Noah Harari, der Bibel, Koran oder anderen heiligen Schriften jegliche Kompetenz zu Fragen des modernen Technologiezeitalters abspricht.

Heute stellen sich Fragen wie: Was bedeutet es für unseren Arbeitsmarkt, wenn künstliche Intelligenz in Zukunft viele unserer Aufgaben übernimmt? Wie wird es unsere Beziehungen verändern, wenn 80 zum neuen 50 wird? Verschärft sich die Kluft zwischen arm und reich, wenn die Biotechnologie es möglich macht, Designerbabies zu schaffen?

Natürlich habe die Bibel keine direkten Antworten auf solche Zukunftsfragen, sagte Jung. Aber sie beschäftige sich immer wieder mit der Erfahrung, dass das Leben nicht vollkommen in menschlicher Verfügbarkeit steht. Die biblischen Texte machen deutlich, dass das Leben ein Geschenk ist und die Schöpfung kein Zufall. Sie erzählen davon, dass Leben aus Spannungen besteht, die wir nicht auflösen können,  und dass es endlich ist.

Der Mensch müsse laut Bibel „das tun, was dem Leben dient“, so Jung. Menschen seien begabt, aber auch grundfehlbar und verführbar, wie in vielen Bibelstellen deutlich wird. Vor allem aber kann der Mensch sich nicht selbst erlösen, sondern müsse immer wieder neue Kraft und Orientierung von Gott gewinnen.


Autorin

Stephanie von Selchow ist Redakteurin des EFO-Magazins.

4 Kommentare

19. März 2018 20:59 Kim Min

Was ist, wenn die historisch-kritische Methode nicht stimmen sollte? Setzten Sie dann nicht sehr viel auf eine Karte Herr Jung? https://www.youtube.com/watch?v=dYF1UOmBqH0

19. März 2018 21:03 Detlef Brodt

Sehr geehrter Herr Jung, haben Sie Beweise für Ihre Aussage, die Wissenschaft hätte es „belegt“, dass Homosexualität angeboren sei? „Es gibt kein Schwulen-Gen“ https://ze.tt/werden-wir-schwul-geboren-forschende-wollen-den-beweis-gefunden-haben/ Es gibt genügend Beispiele für Menschen, die ihre „Homosexualität“ hinter sich gelassen haben. Etwa der Michael Glatze, der Gründer einer Schwulenzeitung aus den USA, welcher mittlerweile glücklich verheiratet ist. http://www.mygenes.co.nz/index.html

19. März 2018 21:06 Bibelmädel

„"weil uns nach dem Tod ein neuer Leib versprochen worden sei." → Wie können Sie sich dieses Versprechens aus der Bibel sicher sein, wenn Sie die anderen Botschaften des selben Buches, wie die Sexualmoral, relativieren oder gar ablehnen Herr Jung?

11. April 2018 19:05 Francesco

"Die Bibel" ist alt. Man sollte sie im historischen Kontext lesen. Anachronistische Eisegese oder Rosinenpickerei als "Wir könnten aber aus dem Text dennoch etwas herauslesen: ..." ist überflüssig wie ein Kropf und wird auch so von jedem evangelikalen Fundi betrieben.

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