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80 Jahre nach dem Novemberpogrom der Nazis: „Im Gehen erinnern“

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Ein gemeinsamer Gedenkweg von Juden und Christen führt am 9. November 2018 vom Dom zur Erinnerungsstätte an der Europäischen Zentralbank. Der evangelische Stadtdekan Achim Knecht, fordert in einem Statement dazu auf, den Tag zur Erinnerung und Mahnung zu nutzen.

Gaffer, Claquere und Erschrockene sammelten sich vor der brennenden Synagoge am Börneplatz Foto: Institut für Stadtgeschichte
Gaffer, Claquere und Erschrockene sammelten sich vor der brennenden Synagoge am Börneplatz Foto: Institut für Stadtgeschichte

Wenn sich am 9. November 2018 die Reichspogromnacht zum 80. Mal jährt, wollen die Evangelische und die Katholische Kirche in Frankfurt am Main zusammen mit der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt, der Jüdischen Volkshochschule und der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit der Ereignisse gedenken, die als Fanal der Judenvernichtung im „Dritten Reich“ gelten. Die Veranstaltung beginnt am Freitag, 9. November 2018, um 13.30 Uhr und endet um 15.30 Uhr – vor dem Schabbatbeginn zum Einbruch der Dunkelheit.

Das Gedenken soll in Form eines gemeinsamen gegangenen Weges geschehen, der aus unterschiedlichen Stationen besteht, die an die Geschehnisse der Reichspogromnacht und die Schoah erinnern. An den jeweiligen Orten wird mit Lesungen und Gebeten an die Ereignisse erinnert. An zwei Stationen werden die Beiträge von der Frankfurter Bläserschule begleitet.

Der Weg beginnt an der Südseite des Frankfurter Doms. Dort erinnert die Statue des Josefs mit dem „Judenhut“ an ein Pogrom aus dem Mittelalter. Er führt weiter zum Dominikanerkloster, wo die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Gedenkveranstaltung zwischen Heiliggeistkirche und Spenerhaus die Perspektive einnehmen können, die der Maler Max Beckmann hatte, als er sein berühmtes Bild der Synagoge am Börneplatz malte, das zu den Höhepunkten der Städelsammlung zählt.

Am Börneplatz wird anschließend eine Lesung an das jüdische Ghetto erinnern. Danach folgt der Weg den Stolpersteinen in der Uhlandstraße hin zum Paul-Arnsberg-Platz und endet schließlich an dem öffentlich zugänglichen Teil der Erinnerungsstätte an der Europäischen Zentralbank.

Dort werden der evangelische Stadtdekan Achim Knecht, der katholische Stadtdekan Johannes zu Eltz und Rabbiner Julian-Chaim Soussan sprechen. Miteinander füreinander erinnern – generationenübergreifend – das soll auf diesem Weg geschehen. Jeder und jede, die sich dem anschließen möchte, ist herzlich dazu eingeladen.

Vorab veröffentlicht der evangelische Stadtdekan ein Statement zum 9. November: Er erinnert in diesem daran, dass nach dem 9. November 1938 die systematische Judenverfolgung ihren Lauf nahm und die Vernichtung von sechs Millionen jüdischen Menschen folgte. Zugleich fordert Achim Knecht in seiner Stellungnahme dazu auf, auch heute allen Anzeichen von Antisemitismus entgegenzutreten. Der Text

Weitere Termine:

Neben der zentralen Veranstaltung „Im Gehen erinnern“ wird auch in den Stadtteilen der Pogromnacht vor 80 Jahren gedacht, eine Auswahl aus evangelischer Sicht:

Bockenheim

Freitag, 9. November, die Evangelische Kirchengemeinde Bockenheim ruft zur Teilnahme an der Mahnwache auf, die um 18 Uhr beginnt: Wie in jedem Jahr – seit 1988 - treffen sich Interessierte mit Kerzen und Blumen am Ort der ehemaligen Bockenheimer Synagoge, Ecke Schlossstraße, Rödelheimer Straße. Vor 30 Jahren hatte sich im Gedenkjahr der Arbeitskreis „Juden in Bockenheim“ gebildet. Menschen, die die Angriffe auf das Gotteshaus erlebt hatten, kamen hier mit Jüngeren zusammen, denen es auch ein Anliegen war, an die Jüdinnen und Juden in dem Stadtteil zu erinnern.

Eschersheim

Donnerstag, 15. November, 19.30 Uhr, Evangelische Andreasgemeinde, Kirchhainer Straße 2, Rezitation zum Gedenken an die Pogromnacht „Mein verwundetes Herz“ – das Leben der Lilli Jahn: Hartmut Volle und Andrea Wolf tragen vor. Lilli Jahn war eine deutsche Ärztin jüdischen Glaubens und Opfer des Nationalsozialismus. Ihre Briefe gelten als wichtiges literarisches Zeitzeugnis.

Heddernheim

Unter dem Titel „Sachor – Gedenke“ findet am Freitag, 9. November 2018, um 19 Uhr in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Sankt Thomasgemeinde ein ökumenischer Gedenkgottesdienst in der katholischen Kirche Sankt Peter und Paul, Oranienstraße 16, in Heddernheim statt. Daran schließt sich ein Gang zum Gedenkstein der Heddernheimer Synagoge, Alt Heddernheim 33, an. Pfarrerin Anja Harzke, Pastoralreferent Matthias Köhler, Christa Fischer (Initiative Stolpersteine) und andere bereiten die Gedenkveranstaltung gemeinsam vor.

Höchst

Freitag, 9. November, 18 Uhr, Ettinghausenplatz, Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht, es spricht Pfarrer i.R. Albert Seelbach, Stadträtin Elke Sautner enthüllt am Bunker eine Gedenktafel. Das Projekt „Nachspüren“ der Leibniz-Schule wird vorgestellt, Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums sorgen für den musikalischen Rahmen. Zu den Unterstützern der Veranstaltung gehören unter anderem der Bund für Volksbildung Frankfurt-Höchst, das Jugend- und Kulturzentrum Höchst I, CDU, Linke, Grüne, SPD aus dem Frankfurter Westen, das Filmforum Höchst, umliegende evangelische und katholische Kirchengemeinden, das Evangelische Stadtdekanat Frankfurt am Main. In der Ankündigung heißt es: „Wir laden ein zu unserer Veranstaltung zum Gedenken an die Zerstörung der Synagoge vor 80 Jahren und an das, was heute vor unseren Augen geschieht, was wir so nicht hinnehmen dürfen.“

Im Zusammenhang mit dem Gedenken zeigt das Filmforum Höchst, Emmerich-Josef-Straße 46a, Claude Lanzmanns Film „Shoah“ in zwei Teilen. Teil 1 wird in Zusammenarbeit mit der AG Geschichte und Erinnerung am Sonntag, 11. November 2018 um 18.30 Uhr zu sehen sein, Teil II am Montag, 12. November 2018, um 18.30 Uhr.

Nieder-Erlenbach

Samstag, 10. November, 18 Uhr, Abendgottesdienst zu Gedenken des Novemberpogroms vor 80 Jahren mit Lesungen, Gebeten und Musik. Auf der Orgel, am Klavier und auf dem Saxophon werden unter anderem Vertonungen von Psalmgebeten und das Thema aus Schindlers Liste zu hören sein. Peter Kiesau spielt Saxophon, Elisabeth Schwarz-Gangel Orgel und Klavier. „Erinnerung ist Leben“ heißt das Motto der Veranstaltung. Im Anschluss an den Gottesdienst wird zum „Kirchencafé“ eingeladen.

Nordend

Freitag, 9. November, 19 Uhr, evangelische Lutherkirche, Martin-Luther-Platz 1, Gottesdienst unter dem Titel „Es geschah vor 80 Jahren….“, Pfarrerin Melanie Lohwasser, die mit halber Stelle in der Gemeinde und mit halber Stelle im Altenheim der Henry und Emma Budge-Stiftung tätig ist, bereitet den Gottesdienst zusammen mit einem Team und Konfirmandinnen und Konfirmanden vor. Das Budge-Altenheim in Seckbach gründet auf einer Stiftung aus den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, das Ehepaar Budge wollte das Zusammenleben jüdischer und nichtjüdischer Menschen fördern. Jüdische Seelsorge und christliche Seelsorge gehören zu den Angeboten des Hauses. Sowohl die Basaltsteine vor dem Altenheim, die an Opfer der Shoah erinnern, will Lohwasser in dem Gedenkgottesdienst thematisieren, als auch die Stolpersteine, die in der Nachbarschaft der Lutherkirche verlegt worden sind.

Sachsenhausen

Samstag, 10. November, 18.30 bis 19 Uhr: Die Gedenkgruppe Evangelischen Dreikönigsgemeinde lädt zu einer Gedenkfeier am Südbahnhof ein, vor der Erinnerungstafel neben dem Haupteingang des Bahnhofs am Diesterwegplatz. Die oft übersehene Gedenktafel erinnert daran, dass vom Südbahnhof aus nach dem 9. November 1938 3155 jüdischer Männer in Konzentrationslager deportiert wurden.

Pfarrer Volker Mahnkopp, Evangelische Maria-Magdalena-Gemeinde, verweist auch auf das Kalischer Mahnmal am Südfriedhof, eine Internetseite http://mahnmal-kalischer.de/ informiert über dessen Historie. Georg Kalischer wurde am 10. November 1938 mit vielen anderen via Südbahnhof ins KZ-Buchenwald transportiert. Er starb an den Folgen der Haftbedingungen und ist auf dem Südfriedhof beigesetzt. Die Grabstätte wird als Patengrab geführt und ist täglich und einfach zugänglich - von der Trauerhalle aus zu sehen. Die Albert und Barbara von Metzler-Stiftung hat in diesem Herbst beschlossen, die Grabpflege für drei Jahre zu finanzieren. Im Frühjahr 2019 werden die Konfirmandinnen und Konfirmanden das Grab neu bepflanzen.


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